So langsam wird es Zeit, dass wir unserem Abflugort Neapel wieder näher kommen…wir verlassen Sizilien, indem wir in Messina mit der Fähre nach Vila San Giovanni übersetzen (39 € pro Auto mit bis zu 5 Personen). Nach 30 Minuten haben wir das italienische Festland erreicht: Ciao Calabria!
Obwohl Kalabrien ohne Ende Strandkilometer vorweisen kann, ist es vom Massentourismus bisher weitestgehend verschont geblieben. Zudem rangiert Kalabriens Bruttosozialprodukt ganz unten, die Arbeitslosen- und Auswanderungsrate hingegen ganz oben auf der nationalen Skala. Die Kalabresen leben wie eh und je vom Oliven-, Zitrusfrucht- und Weinanbau und erst langsam vom Tourismus.
Ebenfalls fanden wir es interessant zu wissen, dass Kalabrien weitestgehend unter Einfluss der kalabrischen Mafia „Ndrangheta“ steht. So wurde in den 1990er Jahren zum Beispiel mit EU Geldern der zweitgrößte Containerhafen Italiens in Gioia Tauro ausgebaut, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Region wirtschaftlich stärker zu machen. Nachdem sich die Mafia den Hafen in den letzten Jahren als Umschlagsplatz für Drogen zu Eigen gemacht hat, sind auch hier die Hoffnungen auf Besserung zerschlagen. Vielerorts zeugen nie fertig gebaute Industriehallen und verlassene Dörfer von der Armseligkeit dieser Region – auf der anderen Seite gibt es hier noch nahzu unberührte Natur, einsame Meeresbuchten und wie wir erleben durften karibisch anmutende Strände.
Unser erstes Ziel ist das kleine Fischerdorf SCILLA. Der Start ist etwas holprig, da unsere Ankunft nicht gerade vielversprechend ist: Die kleine Strandpromenade nahe unserem Hotel wird gerade neu saniert als wir ankommen – alles ist abgesperrt und auch hier ist es mittags fast unmöglich, ein offenes Restaurant oder Café zu finden. Meine Laune ist nicht die Beste und sinkt mit dem Auffinden der einzigen offenen Essmöglichkeit auf den absoluten Tiefpunkt. Eine Art Kiosk im geschlossenen Plastikzelt, in dem es allerlei frittiertes Zeug zu essen gibt und alles klebt…das Mittagessen für 27€ für 4 Personen ist zwar das billigste, was wir hier in Italien hatten (haha), aber nicht unbedingt das, was ich mir in einem idyllischen Fischerdorf gewünscht habe.
Erst nachdem der Herzmann mit den Kindern am Strand Sandburgen bauen geht und ich mich auf einen Streifzug durch das Dörfchen mache, wird mir die versteckte Schönheit und das Potenzial dieses Dorfes bewusst.
Dass wir gerade jetzt ankommen, wo die Strandpromenade neu gemacht wird und die Strandbuden für den Sommer erst aufgebaut werden, ist einfach nur schade – wir sind schlichtweg zu früh gekommen.
Der Ort ist quasi dreigeteilt…oben auf dem Berg liegt das eigentliche Dorf, rechts unten am Meer das alte Fischerviertel Chianalea, mit kleinen wundervollen Gässchen, die bis zum Meer reichen und links unten der lange Sandstrand des Viertels Marina Grande. Bewacht wird das Dörfchen von einem wuchtigen, mittelalterlichen Schloss aus dem Jahre 1255, welches zu Füßen des Dorfes auf einem vorgelagerten Felsen thront.
Dem Epos von Homers Odyssee zufolge lauerte auf diesem Felsen das Ungeheuer Skylla, welches sechs der Gefährten des antiken Helden verschlang, als diese betört vom Gesang der Sirenen und bedroht vom Strudel Charybdis durch die Meerenge zwischen Sizilien und dem Festland segelten (Unnötiges Wissen Teil 1 mit diesem kleinen Exkurs in die griechische Mythologie).
Erst abends erwacht das Dörfchen aus seinem Dornröschenschlaf und einige der Restaurants am Strand unten öffnen tatsächlich ihre Türen (wir essen Pizza für 3€ und können bei den Preisen erahnen, wie es wirtschaftlich um die Bewohner der Region bestellt ist). Einheimische Jugendliche hauchen dem Dorf Leben ein und lassen einen Vorgeschmack auf laue Sommernächte in Scilla zu.
Auch wenn der Start holprig war, haben wir eine kleine Perle gefunden, in der – wie wir erfahren – ausschließlich Italiener Urlaub machen und die erst langsam auch von ausländischen Touristen entdeckt wird.
Am nächsten Morgen geht es 100 km weiter gen Norden. Unser Ziel: TROPEA.
Und wir staunen nicht schlecht, als wir in dieser Kleinstadt mit dem karibisch anmutenden Strand ankommen: Hier pulsiert das Leben, es gibt offene Cafes und Restaurants und unser Hotel Residenza Donna Giovanna ist ein absoluter Glücksgriff ♥.
Wir sind so begeistert, dass wir hier extra darauf hinweisen möchten, falls der ein oder andere nach Tropea reisen sollte: es befindet sich mitten im Zentrum, alles ist fußläufig zu erreichen, es ist tip top neu renoviert und das Frühstück lässt auch keine Wünsche offen…das Personal ist supernett, sehr gastfreundlich, wir bekommen sowohl die Getränke aus der Minibar geschenkt als auch am nächsten Morgen das Angebot, für unsere Weiterfahrt doch bitte das halbe Frühstücksbuffet als Reiseproviant mitzunehmen.
Tropea zählt 7.000 Einwohner und ist damit für kalabrische Verhältnisse bereits eine Stadt. Es ragt auf einem Tuffsteinfelsen hoch über dem Meer und der Blick auf das Meer und den Strand sind atemberaubend. Wir fühlen uns hier eher wie in der Karibik als in Italien – nicht ohne Grund trägt das Städtchen das Attribut „Perle des Tyrrhenischen Meeres“.
Wir schlendern durch die bilderbuchreife Altstadt mit seinen kleinen Gässchen, essen Pasta und Eis und landen irgendwann unten am Meer. Zu Füßen der Altstadt ragt auf einer kleinen Insel die Wallfahrtskirche Santa Maria dell´Isola aus dem Meer. Zu beiden Seiten verlaufen mit grobem weißem Sand und kristallklarem Wasser lange Strände, die Andi und die Kids natürlich gleich zum Baden verleiten.
Mir persönlich ist das Wasser noch zu kalt zum Baden, ich lese derweil im mir vom Hotel zur Verfügung gestellten Reiseführer und beobachte dubiose Gestalten dabei, wie sie sich dicht an mich heranschleichen, um zu begutachten, was wir so alles in unseren Rucksäcken dabei haben (mal wieder so ein aha-Moment).
Generell gehört Tropea aber schon zu den touristisch am weitesten entwickelten Orten hier in der Region – die Anzahl der vielen Restaurants und Cafes läßt darauf eindeutig schließen. Im Hochsommer sollte man diesen Ort allerdings lieber meiden, rät uns die nette Dame im Hotel – dann überfluten wahre Urlaubsscharen die Stadt.
Übrigens werden die hier im Küstenhinterland angebauten roten Zwiebeln mit dem Qualitätssiegel „cipolle rosse di Tropea“ in alle Welt exportiert (unnötiges Wissen Teil 2).
Wir sind wirklich supertraurig, dass wir hier nur eine Nacht bleiben können – wenn wir den Ort vorher gekannt hätten, wären wir auf jeden Fall ein paar Tage länger hier geblieben. Aber das Urlaubsende rückt näher und so liegt die weiteste Fahretappe vor uns: knapp 400 km quer durchs Land bis zur Amalfiküste!
Wie es uns dort gefallen hat und ob dies der perfekte Abschluss unseres Roadtrips war, erfahrt ihr dann im nächsten Reisebericht 😉
Bis dahin alles Liebe, eure Nine ♥